Ortsbeirat Konrode: Die Glocke von Konrode
Die Glocke von Konrode – Eine Chronologie
Zur Vorgeschichte: An mehreren Stellen ist belegt, dass es in Konrode seit Beginn des 18. Jahrhunderts eine Heimerskirche (Dorfkirche) gab. 1712 wurde dort ein Paar mit Glockengeläut kirchlich getraut. Auch im 19. Jahrhundert musste die Glocke vom Mieter des nun nicht mehr als Bethaus genutzten Gebäudes – analog dem Angelusläuten – drei Mal täglich geläutet werden. Nach dem Abriss des Bethauses fand das Läuten mittels einer Glocke in dem 1920 errichteten Vorgängerbau zu dem heutigen, im Jahre 1968 von der politischen Gemeinde errichteten Beton-Glockenturm statt.
Seit 1968 läutet die neue gusseiserne Glocke – gesteuert von einem Läutwerk – um 6:30 Uhr, 11:30 Uhr und 18:00 Uhr. Anfangs läutete sie noch bei jedem Läutevorgang für 4 Minuten, etwa um das Jahr 2010 herum wurde die Läutedauer auf 2 Minuten verkürzt.
Insgesamt kann der Schenklengsfelder Ortsteil Konrode damit auf eine Läutetradition von über 300 Jahren zurückblicken. Somit leben die Konröder Bürger seit Generationen mit ihrer Glocke, die den Tag gliedert und jedes Kind weiß, dass es grundsätzlich mit dem Mittags- oder Abendläuten den Heimweg anzutreten hat.
Im Frühjahr 2021 kam es schriftlich zur Androhung einer Klage gegen die Gemeinde Schenklengsfeld. Eine neu zugezogene Anwohnerin beschwerte sich mittels dieser Klageandrohung gegen das aus ihrer Sicht zu laute Läuten der Glocke von Konrode und forderte darin das sofortige Abschalten des Läutens.
Ein Gespräch des Ortsvorstehers von Konrode mit der Anwohnerin brachte leider keinerlei Erfolg. In dem Gespräch wurde der Anwohnerin unter anderem angeboten, das Läuten auf jeweils 1 Minute zu verkürzen und auch die Läutezeiten in den Morgenstunden anzupassen.
Zusätzlich versuchte der Gemeindevorstand von Schenklengsfeld mit der Beschwerdeführerin eine einvernehmliche Lösung herbeizuführen. Dies wurde von ihr auf elektronischem Wege kategorisch abgelehnt. Rücksichtslos wurde von ihr die Forderung erhoben, das Läutwerk vollständig abzuschalten. Später wurde bekannt, dass sich noch zwei weitere Anwohner in unmittelbarere Nachbarschaft zum Glockenturm vom Läuten erheblich gestört fühlen. Bemerkenswert ist dabei, dass alle drei Anwohner, die an der Glocke Anstoß nehmen, erst vor relativ kurzer Zeit in Konrode zugezogen sind und dabei ihr Zuhause in der unmittelbaren Umgebung des Glockenturms gewählt haben.
Am 30. Mai 2021 übergab der Ortsbeirat Konrode eine Stellungnahme zum Glockengeläut in Konrode an den Gemeindevorstand Schenklengsfeld. Darin wurde auf die Bedeutung des Läutens für die Dorfbewohner und die seit 1920 bestehende Tradition des bisherigen Läutens hingewiesen. Der Ortsbeirat Konrode sprach sich dabei einstimmig für den Erhalt des Läutens aus, gleichzeitig betonte er in der Stellungnahme seine Offenheit für eine gütliche Einigung durch entsprechende Vorschläge.
Am Freitag, dem 20. August 2021 wurde schließlich das Läutwerk der Konröder Glocke auf Veranlassung des Bürgermeisters abgeschaltet. Diese scheinbar willkürliche Abschaltung führte bei den Bewohnern von Konrode zu großer Verärgerung, so dass sich im Ort eine spontane Protestbewegung entwickelte, die allabendlich um 18:30 Uhr an das Läuten der Glocke erinnerte. Zusätzlich wurde eine Unterschriftenaktion für den Weiterbetrieb der Glocke ins Leben gerufen. Es konnte eine Liste mit Unterschriften an den Bürgermeister übergeben werden, die von 140 Erwachsenen und 16 Kindern unterzeichnet worden war.
Am 24. August 2021 fand eine Sitzung des Gemeindevorstands im Dorfheim von Konrode statt. Zu diesem Termin versammelten sich zahlreiche Bürger vor dem Dorfheim, um für das Beibehalten des Läutens zu demonstrieren. Im Rahmen dieser Sitzung wurde vom Gemeindevorstand das tägliche Läuten wieder genehmigt. Weiterhin wurde durch den Gemeindevorstand der Hessische Städte- und Gemeindebund eingebunden, der aber auch nur die Lösung in einer gütlichen Einigung vorschlagen konnte.
Um zu prüfen, ob die Glocke von Konrode den erlaubten maximalen Schallpegel von 90 dB(A) einhält, wurde durch den Gemeindevorstand Schenklengsfeld eine Messung der Lautstärke in Auftrag gegeben. Die Messung erfolgte durch einen Mitarbeiter des Regierungspräsidiums (RP) Kassel in Amtshilfe für das zuständige Landratsamt Bad Hersfeld. Die erste Messung am 15. September 2021 ergab, dass der maximal erlaubte Wert von 90 dB(A) mit den gemessenen 88,6 dB(A) unterschritten wurde. Da jedoch der Mitarbeiter des RP Kassel sein Prüfergebnis – eine Unterschreitung des zulässigen Spitzenpegels – bedingt durch die Windverhältnisse (Gegenwind) am Tag der Messung fachlich negativ darstellte, wurde eine zweite Messung angeordnet.
Die zweite Messung, deren Messprotokoll dem Ortsbeirat Konrode noch immer nicht vorliegt, fand bei leichtem Mitwind statt und ergab einen Spitzenpegel von 92,9 dB(A). Das Kriterium von 90 dB(A) wurde somit überschritten. Zusätzlich wurde bei dieser Messung ein sogenannter Beurteilungspegel ermittelt. Dieser beschreibt die Belastung eines Geräusches für das Gehör über einen bestimmten Zeitraum, im Falle der Glocke von Konrode über 16 Stunden (6:00 bis 22:00 Uhr). In den Beurteilungspegel fließen neben dem Mittelungspegel auch Störmerkmale ein, wie z.B. der Umstand der Tonhaltigkeit. Das heißt, dass innerhalb des Glockengeräusches Einzeltöne zu hören sind. Die Berechnungsformel ist unter Ziffer 1.4 im Anhang der Technischen Anleitung (TA) Lärm zu finden. Vereinfacht ausgedrückt setzt man 6 Minuten „Lärm“ (3 x 2 min Läuten) ins Verhältnis zu 954 Minuten „Stille“.
Im Rahmen dieser Bestimmung des Beurteilungspegels wurde vom Mitarbeiter des RP festgestellt, dass die täglichen Läutevorgänge der Glocke von Konrode im Ist-Zustand den vorgegebenen Immissionsrichtwert von 60 dB(A) überschreiten. Um den vorgenannten Wert einzuhalten, darf die Glocke nur 21 Sekunden pro Tag läuten.
Dankenswerterweise hat sich der Gemeindevorstand nicht an den Vorschlag der Kommunalaufsicht gehalten, das Läutwerk abzuschalten. Vielmehr bekennt sich der Gemeindevorstand zur Tradition des dörflichen Zusammenlebens und befürwortet das tägliche Läuten, auch wenn es zurzeit nur 21 Sekunden andauern darf.
Darüber hinaus wollte der Ortsbeirat Konrode diese Feststellungen nicht so einfach hinnehmen und hat weitere Stellungnahmen zu den Prüfergebnissen geschrieben und eigene Recherchen durchgeführt. So wurde Kontakt zu verschiedenen Glockensachverständigen aufgenommen, wovon auch der für unsere Kirchengemeinde Zuständige aus Kassel hier vor Ort war, aber auch nur Tipps zur Dämmung geben konnte. Mehrere Professoren von der TU Darmstadt wurden kontaktiert, aber leider konnten auch sie nur auf das Berechnungsverfahren nach TA Lärm hinweisen. Eine rechtliche Würdigung zum Thema des liturgischen Läutens war leider nicht zu erhalten.
Weiterhin wurden die Hersfelder Zeitung informiert sowie HitRadio FFH und HR 4 kontaktiert. Beide Radiosender haben über die Glocke von Konrode berichtet. Karl und Liesel Honikel sowie Pfarrerin Marie-Therese Eckardt haben viel Zeit mit Recherchen verbracht, um herauszufinden, ob die Glocke von Konrode kirchlich geweiht wurde.
Der Antrag des Ortsbeirats Konrode an den Gemeindevorstand, ein weiteres, unabhängiges Gutachten einzuholen, wurde abgelehnt, da man dem amtlichen Messergebnis des RP Kassel vertraut.
Zu guter Letzt wurde vergeblich versucht, über Pröpstin Sabine Kropf-Brandau und den Justiziar der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck eine rechtliche Würdigung zum liturgischen Läuten einzuholen, um damit dem im Gutachten des RP Kassel genannten „bedeutungslosen Zeitläuten“ entgegenzuwirken. Besagtes liturgisches Läuten erinnert morgens an die Auferstehung Jesu, mittags an die Kreuzespein Jesu, abends an die Menschwerdung Jesu und ermahnt an den eigenen Tod. Solch ein liturgisches Läuten, das Kirchenglocken zugestanden wird, ist nach Art. 4 des Grundgesetzes im Rahmen der freien Religionsausübung gesetzlich geschützt. Durch diesen besonderen Schutz erhöht sich z.B. für Kirchenglocken der zulässige Spitzenpegel (Maximalwert) als auch der zulässige Beurteilungspegel (Mittelwert).
Der Gemeindevorstand hat nach Vorliegen des Messergebnisses bereits im Januar 2022 eine Akustikfirma aus Göttingen damit beauftragt, ein Angebot zur Dämmung des Glockenturms zu erstellen. Bei einem Ortstermin im Sommer des gleichen Jahres mit einem Vertreter der beauftragten Akustikfirma hat sich dieser den Glockenturm angesehen und Details besprochen. Die Dämmung soll an allen vier Wänden sowie im Dach- und Bodenbereich, also rundherum angebracht werden.
Die Informationen zu Material und Stärke der Dämmung liegen der Gemeindeverwaltung nun vor. Sobald alle Materialien beschafft sind soll die Dämmung vom gemeindlichen Bauhof ausgeführt werden.
Was nach der Dämmmaßnahme noch vom Läuten der Konröder Glocke zu hören sein wird, muss abgewartet werden. Wünschenswert wäre, dass die Glocke wieder zu den gewohnten Zeiten morgens, mittags und abends für jeweils zwei Minuten läuten darf. Es bleibt aber zu befürchten, dass die Glocke nicht mehr überall im Ort zu hören sein wird.
Abschließend bleibt zu sagen, dass es einfach unbefriedigend ist, dass die Anwendung einer gesetzlichen Norm, deren Grenzwerte politisch motiviert sind, dazu führt, dass ein Zustand, der über Jahrzehnte zu keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geführt hat, nunmehr zu einem rechtlichen Problem gemacht wird. Eine deutliche Mehrheit von Bürgern wird von einer kleinen Minderheit, die sogar ihren Wohnort im Wissen um die Glocke frei gewählt hat, dominiert. Eine Rechtsnorm wird damit zur Durchsetzung von Einzelinteressen missbraucht, ohne auf die vorgeschlagenen Kompromissangebote einer Mehrheit der Bürger von Konrode einzugehen.
Ortsbeirat Konrode